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Reparatur oder Heilung?

Ist in unseren Köpfen aus einer Reparatur eine Heilung geworden?
Kennen Sie Organisationen und Einrichtungen, die überraschend gesundete Menschen studieren? Sicherlich besteht da noch ein grosses Entwicklungsfeld. Häufig scheinen wir im funktionalisierten Betrieb unseren Fokus auf Reparatur gerichtet zu haben und sind unaufmerksam für dasjenige, was nachhaltige Heilung hervorbringen kann. […]


Ist es in der Onkologie und bei vielen chronischen oder schweren Krankheiten nicht ähnlich? Auch da gibt es Menschen mit ganz beeindruckenden Krankheitsverläufen, die alle Prognosen auf den Kopf stellen. Wer kümmert sich um die Gesundeten? Wer studiert die sogenannten „Erfolgreichen“? „Da haben Sie ja Glück gehabt“, ist oftmals der einzige Kommentar.
Ist es nicht seltsam, dass wir von spontaner Rückbildung sprechen und dabei nur die nicht vorhandene medizinische Unterstützung sehen, nicht aber all die innere und äussere Aktivität, die der Patient aufgebracht hat? […]


Wird die eigene Aktivität des Patienten aus der Wahrnehmung ausgeklammert, kann sich die umfassende Wirklichkeit nicht widerspiegeln. Diese Haltung ignoriert die Potenziale des Patienten und reduziert die Wirklichkeit auf die medizinische Intervention. […]


Ganz bewusst möchte ich noch einmal darauf aufmerksam machen, dass die medizinische Intervention und Unterstützung oft lebensrettend und lebensverlängernd ist, aber sie als alleinige Heilsbringer zu sehen wäre aus meiner Sicht genauso gefährlich wie den Geist als alleiniges Heilungskonzept zu betrachten. Beide Potenziale, die der Medizin und die des Geistes, des Bewusstseins wollen in ihren Möglichkeiten von uns erfasst werden.
Eigentlich sollte der Patient, der Erkrankte, die Hauptperson sein und unsere Sprache ihm dienen. Leider pflegen wir oft eine Sprache, die den Patienten entmächtigt und ihm schadet. Geht es dann noch um Patienten, oder ist er ein Fall, eine Nummer, die codiert und exakt verwaltet werden muss? […]


Würden wir die Menschen, die gesundet sind, mit ihrer ganz persönlichen subjektiven Erfahrung zu Wort kommen lassen und ihre Erfahrung anerkennen, dann müssten wir die Worte Spontanremission und unerwartete Genesung streichen und durch die Worte erhoffte und erarbeitete Heilung ersetzen. Wir würden damit vom Blickwinkel des Arztes auf das Erfahrungsfeld des Patienten wechseln. […]


Heute wird die unendlich komplexe Vernetzung zwischen körperlichen und seelischen Prozessen immer klarer. Heilung drückt sich auf biochemischer Ebene so aus, dass die reorganisierenden Kräfte im Organismus ihre Arbeit in gewohnter Weise wieder vollbringen. Doch dazu bedarf es des Zusammenklingens vieler verschiedener Dimensionen.
Die Anerkennung dieser Lebenswirklichkeit öffnet die Gestaltungs- und Entwicklungsräume. Doch dies erfordert eigene Arbeit. Es verlangt ein Umdenken, ein Loslassen von Erwartungshaltung der Reparatur. Es verlangt Bewusstsein, Selbsterkenntnis und die Bereitschaft, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.

 

 

Josef Ulrich: Selbstheilungskräfte. Quellen der Gesundheit und Lebensqualität. aethera, 3. Auflage, 2017

 

 

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