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Angst

Ob wir etwas als Realität in der äusseren Welt wahrnehmen oder ob wir etwas als Vorstellung in unserer inneren Welt wahrnehmen, beides hat in unserem Innenleben einen Realitätscharakter. Äussere Realität und innere Vorstellungen, beide sind uns, wörtlich genommen, eine Wirklichkeit. Es macht keinen Unterschied, ob diese innere Realität auf einer Erfahrung oder auf einer Vorstellung basiert.


Im Moment der Angst und Ungewissheit ist es meine Aufgabe, solange ich keine andere Nachricht habe, mir immer wieder den wünschenswerten Verlauf der Dinge lebendig vor Augen zu halten und von ihm auszugehen. Ein Seiltänzer, der sich nicht mehr auf sein Seil und den Weg nach vorne konzentriert, sondern der die Tiefe unter dem Seil vor Augen hat, kann sehr schnell abstürzen.


Mancher begibt sich in Situationen der Ungewissheit daran, Informationen, Wissen zu sammeln. Dieses Wissen kann uns in einigen Fällen die Ungewissheit verringern. In vielen Fällen aber ist es nicht möglich, mit Wissen der Ungewissheit entgegenzuwirken. Dann sind wir in der Kraft unseres Vertrauens gefordert.


Darauf, was für Gedanken sich in mir ausbreiten, darauf habe ich einen Einfluss. Anfangs tauchen oft Gedanken der Angst und der Sorge auf. Den Gedanken der Angst gilt es aber, solange es keine äusseren Fakten gibt, ganz bewusst Gedanken der Zuversicht entgegenzustellen.


Stellen Sie sich Bergsteiger vor, die im Oktober eine mehrtägige Bergtour planen. Natürlich wünschen sie sich bestmögliches Wetter, klare Sicht und keinen Wintereinbruch auf ihrer Tour. Aber die Gewissheit, dass das erwünschte Wetter auch eintreffen wird, die kann ihnen keiner geben. Wären wir die Bergsteiger, so würden wir uns in so einer ungewissen Wetterlage hoffentlich auf jedes Wetter vorbereiten. Was heisst das? Wir würden den Rucksack so packen, dass wir eine Ausrüstung auch für den Wintereinbruch in unserem Rucksack haben und nicht nur für den Sonnenschein.


Versuchen Sie, dieses Bild auf das Leben zu übertragen, auf den Umgang mit der Krankheit, auf den Umgang mit einer bevorstehenden Untersuchung. Was für Konsequenzen ergeben sich daraus? Das würde bedeuten, auf das Wünschenswerte hinzuarbeiten, aber auch auf das weniger Wünschenswerte vorbereitet zu sein. Das heisst bei einer bevorstehenden Untersuchung, dass ich mich auf ein gutes Ergebnis hin orientiere und zugleich weiss, wie ich mit einem nicht erwünschten Ergebnis umgehe und wo ich Unterstützung und Hilfe erhalten kann. Die Angst ruft uns dazu auf, sowohl auf das Erwünschte wie auf das weniger Erwünschte vorbereitet zu sein. Ganz konkret bedeutet dies, dass es meine Aufgabe ist, sowohl auf das Leben wie auf das Sterben vorbereitet zu sein. Die Angst verlangt von mir klare Antworten und entsprechende Handlungen. […]


Es gibt ein hilfreiches Werkszeug, um die Gedanken der Angst anzuerkennen und zu bearbeiten: Schreiben Sie die Gedanken, die Angst erzeugen, auf. Damit begeben Sie sich aus der Rolle des Opfers in die Position des Forschers.

 

 

Josef Ulrich: Selbstheilungskräfte. Quellen der Gesundheit und Lebensqualität. aethera, 3. Auflage, 2017

 

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