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Bedürfnis nach Medikamenteneinnahme

Immer wieder mache ich die Beobachtung, dass wir Menschen, dann, wenn es uns nicht gut geht, das Bedürfnis haben, etwas dagegen einzunehmen. Vermutlich ist uns das seit Kindesbeinen vertraut und gibt uns einen gewissen Halt. Wenn sich körperliche Schmerzen so sehr steigern, dass ein Punkt erreicht wird, an dem wir alles machen oder einnehmen würden, wenn dadurch der Schmerz weggeht, dann ist dieses Bedürfnis am ehesten nachvollziehbar.

 

Auch seelische Schmerzen können enormes Leid verursachen. Auch da kann der Punkt kommen, an dem man alles einnehmen würde, wenn dadurch die seelischen Schmerzen weggehen. 

 

Das Bedürfnis etwas „einzunehmen“ scheint stark verankert in uns. Dieses Bedürfnis geht nicht einfach so weg – erst recht nicht, wenn bereits seit vielen Jahren z.B. Psychopharmaka eingenommen worden sind. Diese Medikamente sind Teil des Alltags, Teil des Lebens, Teil der Beziehungen geworden. Eine Ärztin beschrieb es sogar so, dass eine Beziehung zu diesem Medikament entstanden ist. Das Medikament hat einen festen Platz, eine feste Rolle.

 

Neben den körperlichen und psychischen Entzugserscheinungen die beim Absetzen von Psychopharmaka eintreten können, kommt demnach also auch noch ein Ablösungsprozess von allem wofür das Medikament im eigenen Leben steht, hinzu.

 

In meiner Ausbildung hat ein Dozent welcher lange Zeit im Suchtbereich tätig war gesagt: „Wenn etwas weggenommen wird sollte im Gegenzug auch etwas gegeben werden.“ Den Ängsten, dass, sobald Psychopharmaka abgebaut werden, ein „Rückfall“ kommt, kann z.B. begegnet werden, indem etwas anderes an Stelle der Psychopharmaka gesetzt wird. Das kann eine Therapie sein, ein Hobby, eine Selbsthilfegruppe… es kann auch ein pflanzliches Heilmittel sein. Natürlich ist das ein Stück weit eine „Abhängigkeitsverlagerung“. Aber hinsichtlich der vielfältigen, erheblichen Nebenwirkungen der Psychopharmaka, ist meiner Meinung nach eine solche „Abhängigkeitsverlagerung“ vertretbar.

 

Unabhängig davon, ob nun ein schul- oder ein alternativmedizinisches Mittel eingenommen wird, spielt dabei aus meiner Sicht die eigene Haltung eine wesentliche Rolle. Ich kann eine Substanz mit der Haltung einnehmen etwas „wegzumachen“ ohne mich weiter damit auseinanderzusetzen. Ich kann eine Substanz aber auch mit einer „beobachtenden“ Haltung einnehmen. In dem ich wahrnehme was die Einnahme in mir bewirkt, sowohl körperlich wie seelisch. So werde ich nicht zum „passiven Konsument“ sondern zum „aktiven Beobachter“. Auch stets wichtig ist, ob und wie, mein nahes Umfeld allfällige Veränderungen an mir wahrnimmt.

 

 

Brigitte Zürcher

 

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