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Suizidalität

Neue Antidepressiva und atypische Neuroleptika können Suizidalität verursachen oder verstärken. Dass Suizidalität viele Ursachen haben kann, darunter politische, soziale, ökonomische, psychische, physiologische und psychiatrische, ist bekannt.

 

Suizidalität kann rationale oder irrationale Ursachen haben. Angst vor psychiatrischer Unterbringung gehört ebenso dazu wie Verzweiflung angesichts stigmatisierender psychiatrischer Diagnosen verbunden mit sozialem Abstieg, traumatisierenden Erfahrungen mit psychiatrischer Zwangsbehandlung und der Vorstellung, an einer unheilbaren psychischen Krankheit zu leiden. […]

 

Von einer Reihe von Medikamenten ist deren mögliche suizidfördernde Wirkung bekannt, beispielsweise Tuberkulostatika (z.B. Cyloserin), Clucocorticoide (z.B. Cortison), Blutdrucksenker (z.B. Methyldopa, Betablocker), Chemotherapeutika (z.B. Dacarbazin., Prednisolon, Procarbazin, Interferone) und Raucherentwöhnungsmittel (z.B. Varencilin). Auch Psychopharmaka gehören zu dieser Medikamentengruppe. Während die Schweizer Sandoz Pharmaceuticals AG ihre Warnung auf den Einnahmebeginn von SRI beschränkt: „Die bisherige klinischen Erfahrung zeigt, dass das Suizidrisiko zu Beginn einer Behandlung ansteigen kann“, müssen US-amerikanische Hersteller in ihren Fachinformationen auf die dauerhafte Suizidgefahr hinweisen: „Alle Patienten, die unabhängig von der Indikation mit Antidepressiva behandelt werden, sollten ausreichend überwacht und genau beobachtet werden, um eine klinische Verschlechterung, Suizidalität und ungewöhnliche Veränderungen im Verhalten zu erkennen, besonders in den ersten paar Monaten der medikamentösen Therapie oder bei Erhöhung oder Verringerung der Dosis.“ (U.S. Food & Drug Administration, 2007, zitiert nach: Gøtzsche, 2016, S.83)

 

Im schwedischen Suizidregister sind die neuen Antidepressiva (Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Milnacipran, Mirtazapin, Reboxetin, Sertralin und Venlafaxin) zu finden, die Patienten zeitnah vor ihren Suiziden eingenommen hatten, ebenso die atypischen Neuroleptika (Aripiprazol, Olanzapin, Quetiazepin, Risperdion und Ziprasideon) (Larsson, 2009, S. 23-25).

 

Suizidalität ist bei Neuroleptika mit der Hauptwirkung verbunden, nämlich dem mehr oder weniger subtil auftretenden Parkinsonoid (Symptomkomplex der Schüttellähmung bzw. des Parkinsonismus) und der Parkinsonpsyche, der zum Parkinsonoid gehörenden psychischen Verfassung. Auch das Suizidpotenzial einer Neuroleptika-bedingten quälenden Akathisie ist bekannt. Schon 1975 hatte Frank J.Ayd von der Psychiatrischen Abteilung des Franklin Square Hospital in Baltimore mit eindeutigen Worten auf mögliche Suizidtendenzen als Ergebnis der Verordnung von Neuroleptika aufmerksam gemacht: „Es besteht nun eine allgemeine Übereinstimmung, dass milde bis schwere Depressionen, die zum Suizid führen können, bei der Behandlung mit jedem Depot-Neuroleptikum auftreten können, ebenso wie sie während der Behandlung mit jedem oralen Neuroleptikum vorkommen können.“ (S.497)

 

Hersteller nehmen den psychischen Zustand von den Betroffenen vor Behandlungsbeginn als Vorwand, um Suizide unter Antidepressiva und Neuroleptika ausschliesslich der diagnostizierten Krankheit anzulasten. Einer der Hersteller von Aripiprazol erklärt salopp: „Das Auftreten suizidalen Verhaltens gehört zu psychotischen Erkrankungen und affektiven Störungen…“ (AbZ-Pharma GmbH, 2016, S.2)

 

Hersteller und Mainstream-Psychiater meinen, sich und ihre Produkte mit einer solchen Argumentation von jeglicher Verantwortlichkeit freisprechen zu können. Notfalls verweisen sie auf die niemals zu gewährleistende Totalüberwachung ihrer Patienten oder – jetzt voller Verständnis für die massgeblich soziale Natur der psychischen Probleme – den Bilanzsuizid als Todesursache. In jedem Fall werden die substanzeigenen suizidfördernden Wirkungen ausgeblendet. […]

 

Als Vorboten Antidepressiva-bedingter Suizidalität gelten Erregbarkeit, Agitiertheit, Feindseligkeit, Aggressivität, Angstzustände, Panikattacken, psychomotorische Unruhe, Ein- und Durchschlafstörungen, Hypomanie und Manie. Vorboten Neuroleptika- bedingter Suizidalität können niedergedrückte Stimmung und wie bei Antidepressiva – psychomotorische Erregungszustände sein.

 

 

Aus dem Buch: „Neue Antidepressiva, atypische Neuroleptika“ Risiken, Placebo-Effekte, Niedrigdosierungen und Alternativen, Peter Lehmann, Volkmar Aderhold, Marc Rufer, Josef Zehentbauer, 2017, P.Lehmann Publishing

 

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