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Allergische Reaktionen

Unter neuen Antidepressiva und atypischen Neuroleptika kann es zu einer Reihe allergischer und teilweise lebensbedrohlicher Unverträglichkeitsreaktionen kommen, die ein schnelles Erkennen der Situation und sofortiges Handeln erfordern, zum Beispiel bei einem anaphylaktischen Schock. Dies ist eine akut lebensbedrohliche maximale Überempfindlichkeitsreaktion des Immunsystems. Verträgt der Organismus Fremdstoffe (wie Antidepressiva oder Neuroleptika) nicht, kann er Antikörper bilden. Werden dem Körper dann erneut diese Fremdstoffe zugeführt, können die gebildeten Antikörper innerhalb von Sekunden bis zu 20 Minuten, selten auch noch nach Stunden freigesetzt werden, es kann zu allergischen Reaktionen kommen. Bei ihrem leichteren Schweregrad beschränkt sich diese Reaktion zumeist auf die Haut, was sich in Rötungen und Schwellungen äussert. Bei weiterer Verabreichung der unverträglichen Fremdstoffe kann ein anaphylaktischer Schock eintreten.

 

Eine spezielle Unverträglichkeitsreaktion ist das bei neuen Antidepressiva mögliche Stevens-Johnson-Syndrom. Es ist gekennzeichnet durch eine blasige Ablösung der oberen Hautschicht von weniger als 10% der Körperoberfläche, geht einher mit hohem Fieber und körperlicher Abgeschlagenheit und kann zum Tod führen, insbesondere wenn die Substanz, die die Allergie auslöst, weiter verabreicht wird. […]

 

Auch das Angiödem, das durch schmerzlose Schwellungen des Unterhautzellgewebes bzw. der unterhalb von Schleimhäuten gelegenen Bindegewebsschicht gekennzeichnet ist und oft mit Juckreiz einhergeht, kann eine schwere allergische Reaktion auf neue Antidepressiva darstellen. Angiödeme können prinzipiell an allen Stellen des Körpers auftreten. […]

 

Eine unter Einnahme von atypischen Neuroleptika auftretende allergische Reaktion ist das potenziell tödliche DRESS-Syndrom (Arzneimittel-bedingter Hautausschlag mit vermehrter Zahl eosinophiler Granulozyten und systemischen, das heisst Organsysteme betreffenden Symptomen). […] Ein frühes Warnzeichen für das DRESS-Syndrom ist ein Hautausschlag, der von einer Gesichts- oder Lymphknotenschwellung und einem starken Krankheitsgefühl begleitet ist.

 

Gelegentlich reagiert der Körper psychiatrischer Patienten mit einer Agranulozytose einem oft blitzartig auftretenden lebensbedrohlichen Absterben weisser Blutkörperchen, vor allem von Granulozyten.[…] Leukozyten (weisse Blutkörperchen) gelten gleichsam als Gesundheitspolizei des Körpers, […] Eine erhöhte Leukozytenzahl weist hin auf einen akuten Abwehrkampf des Immunsystems, eine dramatisch verringerte Leukozytenzahl auf die Niederlage im Abwehrkampf. Ärzten sind verschiedene Symptome bekannt, die einer Agranulozytose vorausgehen können, unter anderem Abgeschlagenheit, […] Lymphknotenschwellungen, verzögerte Wundheilung, „Grippe ohne Grippe“, Angina, Fieber, Schwitzen, Schüttelfrost, Appetitlosigkeit, Entzündungen von Zunge, Mundschleimhaut […] Als wesentliches Vorzeichen der Agranulozytose gilt die krankhaft verminderte Zahl weisser Blutkörperchen.

 

Serotonin-Syndrome werden als selten oder in unbekannter Häufigkeit auftretende unerwünschte Reaktionen auf SRI, SNRI und NASSA genannt. Auch unter atypischen Neuroleptika kann dieser lebensgefährliche Symptomenkomplex auftreten. Seine Symptomatik ähnelt dem malignen neuroleptischen Syndrom. Ausgelöst wird das Serotonin-Syndrom durch eine Anhäufung von Serotonin oder Serotonin-ähnlich wirkenden Substanzen im Körper oder durch schnelle Aufdosierung. Als Symptome zeigen sich Veränderungen der psychischen Verfassung (zum Beispiel Ruhelosigkeit, Agitiertheit und Verwirrtheit), Denkstörungen, gesteigerte Reflexbereitschaft, Fieber, Schweissausbrüche, Schüttelfrost, Herzjagen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, labiler oder erhöhter Blutdruck […] rasche, unwillkürliche Muskelzuckungen. Ist zusätzlich zur allgemein erhöhten Erregung der Muskulatur auch noch die Atemmuskulatur einbezogen, wird der Zustand lebensbedrohlich, der Patient kann ins Koma fallen, Krampfanfälle und ein tödliches Hertzversagen erleiden.

 

Als Unverträglichkeit bei neuen Antidepressiva und atypischen Neuroleptika kann das maligne neuroleptische Syndrom auftreten, ein lebensbedrohlicher Symptomkomplex aus Fieber über 40°C, Muskelstarre und Bewusstseinstrübung bis zum Koma. Manchmal geht das Syndrom einher mit Hyperthermie, einer Überwärmung des Organismus […] Die ratiopharm GmbH informiert: „Die Entwicklung potenziell lebensbedrohender Syndrome wie das Serotonin-Syndrom oder das maligne neuroleptische Syndrom wurde bei selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRIs) einschliesslich der Behandlung mit Sertralin berichtet.“ (2016, S.1) Serotonin-Syndrome und maligne neuroleptische Syndrome würden einander ähneln; angesichts der erheblichen Gefahr müssten die Psychopharmaka beim Auftreten solcher Ereignisse sofort abgesetzt und lebensrettende Massnahmen eingeleitet werden […] Zinovi-Aventis für Amisulprid: „Wie bei allen Neuroleptika kann es zu einer potenziell lebensbedrohlichen Komplikation, dem malignen neuroleptischen Syndrom kommen, das durch Hyperthermie, Muskelsteifheit, vegetative Störungen, Bewusstseinsstörungen und eine Erhöhung der CPK (Kreatin-Phosphokinase) gekennzeichnet ist“ (sanofi-aventis schweiz ag, 2016

 

Das Enzym Kreatin-Phosphokinase, dessen Konzentration im Blut bei vielen atypischen Neuroleptika erhöht ist, gilt als Marker für Schäden an der Skelettmuskulatur und am Herzen.

 

 

Aus dem Buch: „Neue Antidepressiva, atypische Neuroleptika“ Risiken, Placebo-Effekte, Niedrigdosierungen und Alternativen, Peter Lehmann, Volkmar Aderhold, Marc Rufer, Josef Zehentbauer, 2017, P.Lehmann Publishing

 

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