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Was ist eine Psychose?

Was ist eine Psychose? Von dieser Definition hängt das Zwangs- und Gewaltproblem in erster Linie ab. Das medizinische Konzept der sinnlosen, genetisch bedingten Hirnstoffwechselstörung entwertet den Patienten, ignoriert ihn als Menschen mit seinen Erfahrungen und provoziert geradezu seinen Widerstand.

 

Was wäre, wenn nicht Sie, sondern wir die Definitionsmacht hätten, dass die Psychose ein Aufbruch des normalerweise Unbewussten ist, um eine vorausgegangene Lebenskrise zu lösen, die wir mit unseren bewussten Kräften nicht lösen konnten. Dass darum die Parallelen zwischen den bekannten schizophrenen Symptomen und dem, was in unseren Nachtträumen geschieht, so offensichtlich sind, weil beide aus derselben Quelle, unserem Unbewussten kommen. Als schizophrenes Symptom ist zum Beispiel der Aufbruch von Symbolen bekannt, das Denken und Handeln in Symbolen. Unsere Nachtträume sind voller Symbole. Oder die häufigen Identifikationen zum Beispiel mit Jesus und anderen Personen in der Schizophrenie. Auch im Nachttraum identifizieren wir uns mit den im Traum auftretenden Personen, die uns häufig selbst meinen. Oder die in der Schizophrenie häufigen „Beziehungs- und Bedeutungsideen“. Verstehen lassen sie sich erst aus dem in der Psychose veränderten Weltgefühl sonst nicht gespürter Sinnzusammenhänge. Ähnliches gibt es im Traum. Sigmund Freud erwähnt im „Abriss der Psychoanalyse“ beim Traum:


„…eine auffällige Tendenz zur Verdichtung, eine Neigung, neue Einheiten zu bilden aus Elementen, die wir im Wachdenken gewiss auseinander gehalten hätten.“


Die Krankheit liegt also darin, dass wir unser Psychoseerleben für Realität halten. Würden wir es von vornherein auf der „Traumebene“ erkennen, wären wir nicht krank. Es bedarf also der Verschiebung der Psychoseinhalte auf die „Traumebene“, um sich den Sinn der Psychose zu erhalten, nur ihre objektive Wirklichkeit nicht. Unsere Psychosen gehen meistens mit aufbrechenden Impulsen und Emotionen einher, die aus dem Unbewussten kommen. Damit sich gar keine Gefühle und Impulse stauen können, lebe ich immer aus diesen Impulsen oder der inneren, nicht gehörten Stimme. Manche hören sie auch. Diese Definition der Schizophrenie hat nichts Abwertendes und fordert dazu auf, sich mit den Psychose-Inhalten und der vorausgegangenen Lebenskrise zu befassen, um sich selber besser zu verstehen und mit sich umzugehen.

 

Den Aufbruch des Unbewussten erleben und bewerten wir als von aussen kommende „Eingebungen“. Darum konnte der englische Psychiater John K. Wing als „zentrales schizophrenes Syndrom“ das „Erlebnis der Eingebung von Gedanken“ bezeichnen. Aus diesem Erlebnis von aussen eingegebener Gedanken resultiert wohl auch der Begriff der „Schizophrenie“. Sobald wir aber von einem aufgebrochenen Unbewussten wissen, das wir wegen der ganz anderen Art des Denkens und Vorstellens, des eher „Gedachtwerdens“, als nicht aus uns selbst kommend erleben und bewerten, kann gemeinsam ein Psychose- und Selbstverständnis erarbeitet werden. Denn, dass unsere Psychosen durch vorausgegangene Lebenskrisen seelisch verursacht sind, wissen wir Betroffene fast alle.

 

Dorothea S. Buck-Zerchin: Siebzig Jahre Zwang in deutschen Psychiatrien.

 

Text aus dem Buch: „Statt Psychiatrie 2“, Peter Lehmann, Peter Stastny (Hg.)

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