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Arbeitsmodell der Psychose nach Edward Podvoll

Aus gängiger medizinischer Sicht ist eine Person, die an einer Psychose leidet, das Opfer eines pathologischen physischen Zustands, mit anderen Worten einer „Hirnerkrankung“. Andere Sichtweisen siedeln die Pathologie anderswo an, zum Beispiel im Familiensystem oder in der physischen oder kulturellen Umgebung.

 

Obwohl Podvolls Modell diese möglichen Einflussfaktoren nicht leugnet, verweist das Modell auf die aktive Rolle, die ein Individuum in der Entwicklung seiner Psychose spielt, was bedeutet, dass die Betroffenen nicht einfach Opfer sind. Seine Sichtweise gibt ihnen die Möglichkeit, im eigenen Heilungsprozess aktiv mitzuwirken.

 

In dem Buch „Aus entrückten Welten“ (früherer Titel: „Die Verlockung des Wahnsinns“) entwickelt Edward Podvoll ein Modell zum besseren Verständnis der Entstehung und Weiterentwicklung von Psychosen. Er beschreibt konkrete Ursachen und Bedingungen, die einen solchen Prozess auslösen und in Wahnsinn münden können:

 

– Grenzsituation: bezieht sich auf den intensiven Druck der Umweltbedingungen und unlösbarer Dilemmas, die das Gefühl von Sicherheit und Selbst sein einer Person bedrohen. Beim Versuch aus einer überwältigenden Zwangslage zu entkommen, kann eine Person ausklinken und sich in die Welt der Magie und Macht flüchten. Im verzweifelten Versuch einer Lösung dessen was unlösbar erscheint, durchläuft sie hierbei eine radikale Selbsttransformation.

 

– Intention: meint die starke Ambition, die alltäglichen Forderungen, Verantwortlichkeiten und Begrenzungen des Lebens zu durchbrechen und einen Zustand von Macht und Freiheit jenseits irdischer Mühsal zu erreichen.

 

– Aktivität: bezieht sich auf die starke Anstrengung der Selbstverwandlung, um eine persönliche Zwangslage zu überwinden. Dies erfordert den Einbezug von Praktiken, die Körper und Geist desynchronisieren oder voneinander loslösen – und ebenso Körper und Geist von der Umgebung abkoppeln. (z.B. kann das sein: nicht schlafen, nicht essen, keine Tagesstruktur etc.)

 

– Substanz: bezieht sich auf den Konsum von konkreten Substanzen, die bewusstseinsverändernd wirken und zugleich den Versuch zur Selbstverwandlung vorantreiben. Zu diesen Substanzen gehören unter anderem Alkohol, Marihuana, Halluzinogene und Amphetamine. Sie desynchronisieren Körper und Geist und intensivieren die Erfahrung eines transzendenten Zustands von Macht und Freiheit, der weitab all der Einschränkungen einer Realität im Wachzustand liegt.

 

– Geistesabwesenheit: benennt den Zustand, der eine Folge des Schürens von desynchronisierenden Praktiken mit Substanzen ist, und im weiteren Verlauf zum Ausklinken führt. In dem Masse, wie eine Person ihre zunehmende Aufmerksamkeit auf eine „andere Welt“ richtet, verliert sie den Bezug zur unmittelbaren Umgebung, zu anderen Menschen und schliesslich zu den Bedürfnissen des eigenen Körpers. Der Geist konzentriert sich in überwältigendem Ausmass auf die Imagination.

 

Text von: Michael Herrick/Anne Marie DiGiacomo/Scott Welsch: Windhorse

 

Aus dem Buch: „Statt Psychiatrie 2“, Peter Lehmann, Peter Stastny (Hg.)

 

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