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Körper, Seele, Geist – aus sprachlicher und theologischer Sicht

Dass der Mensch mehr ist als bloss der (sichtbare, messbare) Körper, dass er ein dreigliedriges Wesen hat, galt eigentlich in fast allen alten Völkern und Religionen als selbstverständlich (s. u. 1). Für uns besonders deutlich sichtbar vor kommt diese Dreifaltigkeit, Dreigliedrigkeit bei den alten griechischen Philosophen, dann im frühen Christentum, und dort vor allem bei Johannes und Paulus.

 

Vom Menschen zu sehen – und deshalb wohl auch einfacher und leichter zu verstehen – bekommen wir nur sein verdichtetest Glied: seinen Körper (lat. corpus: Stoffmasse, Leib und Leben … – althoch-deutsch/ahd liib – got. liban: das Zusammen-Geleimte, Zusammen-Gefügte … – s. „Duden – das Herkunfts-Wörterbuch“). Nicht direkt zu sehen (und deshalb auch nicht leicht zu begreifen) ist die Seele (ahd seulja, seo: See. Ein See ist der kleinere Teil vom grossen Wasser, dem Meer. Die Seele somit vom Grossen und Ganzen ein Teil.) Die Seele (lat. mens: Denkart, Sinnesart, Meinung, Erinnerung, Gemüt … griech. psyche: Gemüt, Mut, Herz … ) ist aber nicht zu verwechseln mit dem Geist (lat. spiritus: Wind, Luft, Hauch, Gesinnung … griech. pneuma: Hauch, Wind, Luft, Atem, Lebens-Atem, Beweger, Geist … Geist: ahd gheis, gaijsjan: das Erregende, Bewegende … vom Geist lässt sich der Mensch also bewegen, ergreifen, be-geistern … s. u. 2).

 

Diese Gesinnung und Überzeugung, dass der Mensch mit seinem Geist Teil ist, und somit Anteil hat am göttlichen Geist, ist im Laufe der Zeit immer mehr verloren gegangen. Teils gefördert durch die junge christliche Kirche, der es immer wichtiger wurde gegen aussen grösser, mächtiger, reicher, einfluss-reicher zu werden. Und das verträgt sich eben nicht mit dem unsichtbaren Geist, der im Hintergrund waltet und wirkt. Und je mehr diese Kirche von eigenständig denkenden Menschen ermahnt wurde, sich doch an den Ursprung, an das Eigentliche und Wesentliche des Christentums zu besinnen, an seine Einfachheit und Bescheidenheit, desto härter und gewalttätiger ging sie gegen diese Menschen vor, gab ihnen zu verstehen, dass der Weg zu Gott nicht über eigene Einsicht, nicht über ihr Denken, sondern nur durch die Kirche möglich sei. Und darum beschlossen die Kirchen-Obern 869 nc im Konzil/Versammlung von Konstantinopel die Menschen zu degradieren, zu verkleinern, sie um ein wichtiges Glied zu köpfen und zu schröpfen: aus dem drei-gliedrigen, ein zweifaches Wesen zu formen, eines bloss mit Leib und Seele. Damit versuchten sie den Menschen die göttliche Verwandtschaft aus-zu-treiben, die ursprüngliche Vielfalt des Christentums (Pfingsten!) zu vereinfältigen. Wagten es Menschen gleichwohl sich an das Göttliche in ihnen zu besinnen und zu erinnern, wurden sie von der Kirche verfolgt und verbannt, verurteilt und verbrannt.

 

Könnte dies nicht auch ein Grund mehr dafür sein, dass wir Heutigen – nicht bewusst zwar – einen unsicheren Umgang haben, mit allem und bei allem was den Geist angeht? Ihn für alles zu brauchen und zu missbrauchen, ihn zu vermischen, zu verwechseln, durch-einander zu bringen, gleich-zu-schalten mit dem Geist, der zb Ungutes bewirken kann und der in der griechischen Sprache nicht Pneuma, sondern Daimonion/Dämon heisst. (Auch in der deutschen Sprache wird ein „Gespenst“ (ahd gispensti: Verlockung, Trugbild, Erscheinung … mit „Geist“ gleichgesetzt.) Dazu von einem “geistig“ behinderten, „geistig“ schwachen Menschen zu reden und dabei zu meinen, dass dieser mit dem Denken im Kopf Mühe hat. Das hat mit dem „Geist“ nichts zu tun!

 

Genau gesehen kann ein Mensch auch nicht „geistig“ krank sein, denn der Geist an sich ist ursprünglich immer heilig, „heil“ (gotisch hails: ganz, vollständig, glücklich, frisch, gesund …). Krank (mittel-hoch-deutsch/mhd kranc: schwach, schlecht, nicht ganz, gekrümmt, aus dem Gleichgewicht gebracht …), behindert, eingeschränkt, verkümmert sein kann nur der Körper des Menschen – und eben: die Seele, das Gemüt, der Mut um zu leben …

 

(1) Die Drei galt bei vielen alten Völkern und Religionen als heilige Zahl, als Zahl der Ganzheit („Aller guten Dinge sind drei“), Zahl der Harmonie (griech. harmozein: zusammen-fügen, übereinstimmen, verbinden, vermitteln, ein Ganzes bilden …).
(*Näheres und Weiteres dazu bei Hans-Werner Schroeder „Dreieinigkeit und Dreifaltigkeit – vom Geheimnis der Trinität“ Verlag Urachhaus.)

Das für den Ausgleich sorgende, zwischen zwei Seiten vermittelnde Dritte, sollte auch an Beispielen aus dem heutigen Alltag ablesbar sein. Sei das in der Musik mit der Harmonie zwischen Takt und Melodie – sei das bei der Pflanze mit dem Stengel, der Wurzel und Blüte verbindet – bei Fahrzeugen ist es die Kupplung, die den Motor und das Getriebe in Gang bringt – beim Atmen der gleichmässige Rhythmus zwischen Aus- und Ein-Atmen – und für das regelmässige Zusammenziehen und Ausdehnen braucht auch das Herz einen geregelten Puls und Impuls … Wenn JH Pestalozzi auf den Menschen und seine Dreigliedrigkeit zu sprechen kommt, braucht er für den Willen das Bild der Hand, für das Gefühl das Bild des Herzens, für sein Denken den Kopf. Übernimmt ein Glied dauernd die Herrschaft über die beiden andern, besteht die Gefahr, dass der Mensch einseitig wird, sein Mensch-Sein vergisst, un-menschlich wird. Braucht so der Mensch einseitig nur den Willen, kann er zum rücksichtslosen Macher entarten. Ein religiöser Fanatiker kann werden, wer meint, dass die Religion nur aus dem Gefühl erlebt werden kann. Und ein eher hartherziger Mensch kann sein, wer nur den Kopf gelten lässt. Kommen aber alle drei Glieder regelmässig und gleichmässig zu Wort, so ist er auf dem Weg zu einem gesunden (ahd gisunt: stark, kraftvoll, fest, ausgeglichen … ) Menschen.

 

(2) Auf das Erste gesehen, bleiben der Geist und auch die Seele für die meisten Menschen unsichtbar. Aber dass sollte nicht heissen, dass es beide nicht auch gibt! Machen wir uns auf die Suche nach ihnen: in alten Zeiten wurde der Geist u.a. mit dem Wind verglichen. Der Wind an sich ist ja auch nicht direkt zu sehen und gleichwohl gehen Wirkungen von ihm aus, die wir zu spüren und zu sehen bekommen: der Wind bringt uns im Winter Kälte, im Sommer Wärme, hinterlässt Spuren nach gewaltigen Stürmen, spielt mit dem Laub der Bäume, verteilt auf der Erde himmlische Blumendüfte … Der Geist ist also nicht weit entrückt im Himmel zu suchen, sondern erscheint uns mit seinem Wirken auch auf der Erde. Diese Wirkungen benennt Paulus (gal 5) als Gaben, als Früchte des Geistes (ahd fruht: was zu brauchen und zu nutzen da ist … ) und zählt solche Früchte auch auf: Freude und Freundlichkeit, Frieden und Zufriedenheit, Güte und Grossmütigkeit, Herzlichkeit, Warmherzigkeit, Barmherzigkeit, Mut, Treue, Glauben, Vertrauen, das Gewissen …

 

Denken wir uns ein Bild: der göttliche Geist, wenn er ist, ist die verborgene Sonne des Weltalls. Meine Seele aber ist der Spiegel, der für diese Sonne geschaffen ist. Wir können die Sonne nicht zwingen, dass sie uns scheint, und wir brauchen das auch nicht. Aber wir können den Spiegel so halten und so stellen, dass die Sonne darin aufleuchten muss. Halte den Spiegel rein und halte ihn nach oben und unfehlbar kommt die Stunde, wo die Sonne, die da über den Himmel geht, in unseren Spiegel strahlend sichtbar wird …“ Friedrich Rittelmeyer (1872-1938)

 

Es gibt nur ein einziges Problem: wiederentdecken, dass es ein Leben des Geistes gibt, höher stehend als das des Verstandes – das einzige Leben, das den Menschen befriedigt. Es geht über das Problem des religiösen Lebens hinaus, das nur eine Form davon ist. Und das Leben des Geistes beginnt dort, wo über die Bestandteile hinaus, aus denen es besteht, ein Wesen als Einheit gedacht wird.“ Antoine de St-Exupéry (1900-1944)

 

H.R. Zürcher

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