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EMDR

EMDR ist eine Technik welcher ich sowohl in meiner Ausbildung wie auch jetzt im Berufsalltag nie begegnet bin. Aus meinem Umfeld ist mir eine Person bekannt, welche ein traumatisches Erlebnis mit Hilfe von EMDR überwinden konnte. Ansonsten ist EMDR schlichtweg kein Thema. Erstaunlicherweise…

 

„Überzeugt hat mich schliesslich eine Studie zur EMDR- Behandlung bei achtzig Patienten, die massive emotionale Traumata erfahren hatten. […] Dieser Untersuchung zufolge wiesen 80 Prozent der Patienten nach drei Sitzungen von je neunzig Minuten keine Symptome des posttraumatischen Stresssyndroms mehr auf. Diese Heilungsquote lässt sich mit der Wirkung von Antibiotika bei Lungenentzündung vergleichen. Ich kenne keine einzige Studie zu irgendeiner psychiatrischen Behandlungsmethode, auch zu keiner die mit den stärksten Medikamenten arbeitet, die innerhalb von drei Wochen eine vergleichbare Wirkung nachgewiesen hätte. Selbstverständlich sagte ich mir, bei einer so kurzfristigen Behandlung sei es unvorstellbar, dass die Resultate von Dauer seien. Doch als man dieselbe Gruppe von achtzig Patienten fünfzehn Monate später erneut befragte, waren die Ergebnisse sogar noch besser als unmittelbar nach den drei Sitzungen. Trotz alledem kam mir das Verfahren immer noch seltsam vor; möglicherweise lief es sogar meiner ethischen Überzeugung zuwider, wenn man meine Prägung durch die Psychoanalyse bedenkt, die grossen Wert auf die Sprache legt, die Geduld, die Dauer, die Übertragungsanalyse und so fort.“[…] (Servan-Schreiber, 2006: 100) 

 

Die Behandlungsmethode wurde von der kalifornische Psychologin, Francine Shapiro entwickelt. EMDR bedeutet auf Englisch: „Eye Movement Desensitization and Reprocessing“, zu Deutsch: „Desensibilisierung und Neuorientierung durch Augenbewegung“. Es ist hinlänglich bekannt, dass wir nachts, während des Traumschlafs, der sogenannten REM- Phase (Rapid Eye Movement = schnelle Augenbewegungen) Inhalte verarbeiten die im Unterbewusstsein gespeichert sind. Anscheinend haben wir während dieser REM-Phase sowohl den Zugang wie auch die Möglichkeiten diese Inhalte zu Verarbeiten. Die EMDR- Methode bezieht nun genau diese „schnellen Augenbewegungen“ in die Behandlung mit ein.

 

„Die EMDR- Methode geht davon aus, dass in jedem Menschen ein Mechanismus existiert, der Traumata verarbeiten und verdauen kann. […]uns allen widerfahren lebenslang „kleine“ Traumata. Dennoch entwickeln wir meistens kein posttraumatisches Stresssyndrom. Ähnlich wie das Verdauungssystem alles für den Organismus Nützliche und Notwendige aus der Nahrung zieht und den Rest aussondert, greift das Nervensystem sich die nützliche Information – die „Lektion“ heraus und entledigt sich innerhalb weniger Tage der Gefühle, der Gedanken sowie einer physiologischen Aktivierung, die nicht mehr gebraucht werden, sobald das Ereignis vorbei ist. Dieser Mechanismus wird „adaptives System zur Verarbeitung von Informationen“ genannt. […] Allerdings kann dieses System unter gewissen Umständen überschwemmt werden. Dann wenn das Trauma zu massiv ist[…]“. (Servan-Schreiber, 2006: 103). Ist dies der Fall, dann wird der Theorie von EMDR zufolge „die Information, die sich auf die Traumatisierung bezieht, nicht verdaut, sondern im Nervensystem festgehalten: ihm eingeprägt in ihrer ursprünglichen Gestalt. Bilder, Gedanken, Geräusche, Gerüche, Gefühle, körperliche Empfindungen und Überzeugungen, die man von sich selbst gewonnen hat […], sind dann in einem neuronalen Netz gespeichert, das ein Eigenleben führt. Verankert im emotionalen Gehirn und von allen rationalen Einsichten abgeschnitten, wird dieses Netz zu einem unverarbeiteten, dysfunktionalen Informationspaket, das von der kleinsten Erinnerung an das ursprüngliche Trauma reaktiviert wird. […]EMDR wirkt vor allem, weil es zunächst die traumatische Erinnerung mit all ihren verschiedenen – visuellen, emotionalen, kognitiven und physischen Komponenten aufruft und dann das „adaptive System zur Informationsverarbeitung“ anregt, dem es bis dahin nicht gelungen ist die störende Prägung zu „verdauen“. (Servan-Schreiber, 2006: 104) 

 

Falls das tatsächlich so möglich ist, was anscheinend der Fall ist, dann könnte EMDR in den Händen eines kompetenten, mitfühlenden Therapeuten/Therapeutin, für jene Menschen, welche unter traumatischen Erlebnissen leiden, tatsächlich ein Silberstreifen am Horizont sein.

 

Brigitte Zürcher

 

Zitate aus: David Servan-Schreiber, Die Neue Medizin der Emotionen, Goldmann, 2006

 

 

 

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